Krisen gestalten
Krisen gestalten
Krise ist ein Wort
Als wir klein waren, kannten wir es noch nicht. Wenn wir glücklich waren, haben wir gespielt, gelacht, getobt, getanzt und gesungen. Wenn wir unglücklich waren, haben wir geweint geschrien, geschmollt, haben uns trösten lassen oder für eine Weile still zurückgezogen.
Später wurden wir aufgefordert, unseren Verstand so weit wie möglich zu entwickeln, ihn über unsere Intuition zu stellen und auf Produktivität auszurichten. Man flüsterte uns ein, dass wir auf diese Weise unser Leben beherrschen würden, Glück anhäufen und Schmerz vermeiden könnten.
Nach einiger Zeit des einäugigen bis blinden Gehorsams, dämmert es nun einigen von uns, dass sich das Leben nicht sonderlich um unsere Strategien schert. Womöglich sind wir inzwischen aus dem Gleichgewicht geraten, unsere Lebensgeister erstarrt in materiellen Gütern oder gefangen in Zukunftsplänen- und Sorgen. Etwas braut sich in uns und um uns herum zusammen und das Wort dafür ist nun in aller Munde.
Krise als Krise?
Nein Danke! "Krise als Chance", diesen Ratgeber würden wir schon eher kaufen, denn unser nächster Plan steht bereits fest: Schnell wieder raus aus diesem unbequemen Zustand, am liebsten wie der Phönix aus der Asche, jedoch ohne vorher zu verbrennen. Mit dieser Strategie liegen wir richtig, die überwältigende Mehrheit unserer Mitmenschen kann sich nicht täuschen, das überwältigende Angebot an Antidepressiva weist uns die einfachen Wege. Einen neuen Partner? Neue Schuhe? Ein neues Auto? Ein Facelifting? Eine Penisverlängerung? Ein Besuch beim Geistheiler?
Hauptsache unser Selbstbild, unser Image, das wir unter Entbehrungen und im guten Glauben an ein produktives, auf die Zukunft gerichtetes Leben erschaffen haben, bleibt unangetastet. Was würden sonst die Nachbarn denken, die Kollegen, die Freunde, die Familie?
Leiden 2. Grades
So weit haben wir auch schon gedacht? Haben es so anglich in einigen Ratgebern gelesen, verstanden und für gut befunden? Schön. Könnte sich unser Verstand doch nur am eigenen Schopf aus der selbst erschaffenen Misere ziehen, wir wären alle längst erleuchtet. Weil er es aber nicht kann, verbuchen wir unsere theoretischen Heilsbemühungen als weitere, wenn auch ehrenwerte Umdrehungen im Hamsterrad.
Da bemerken wir einen alten Bekannten, der uns die Hand zum Ausstieg reicht, erst ganz subtil dann immer vehementer. Zum Anlass unserer intellektuellen Selbstermächtigung hatten wir ihm den Kampf angesagt, doch sein Auftritt hat seitdem nichts an Überzeugungskraft eingebüßt: der Schmerz.
Er, den wir in unserer Kindheit als ungeliebten wie unvermeidbaren Wechselspieler zum Glück akzeptiert hatten, der uns immer herausgefordert aber selten verletzt hat, zumal nicht, wenn wir uns ihm ganz hingegeben hatten und er sich dann auf wundersame Weise in etwas vollkommen anderes verwandeln konnte. Diesem alten Bekannten stehen wir nun entfremdet und starr vor Angst gegenüber.
Würde er uns übermannen, wäre unser Lebensentwurf gescheitert, hätten wir versagt, würden zu Aussätzigen im Reich der Glücksritter gebrandmarkt.
Diese Ängste sind Leiden 2. Grades. Sie verhindern, dass wir uns unseren unerfüllten Bedürfnissen, Lebensthemen und Wachstumspotentialen zuwenden. Anstatt ihn zu erforschen, zersetzen wir unseren natürlichen und unvermeidlichen Lebensschmerz in seine giftigen Fäulnisprodukte Leid, Quälerei, Masochismus und Sadismus, mit denen wir uns individuell wie kollektiv zugrunde richten.
Wie kann ich Dir helfen, Kontakt zu Deinen Lebensfragen und Wachstumspotentialen aufzunehmen?
Lass uns darüber reden!